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Eine Einführung von Dr. Mark Lenz vom GEOMAR im SEALEVEL
„Forschung in der Tiefsee ist ähnlich menschenfeindlich wie die Erforschung des Weltalls.“
Ein gelber Glider im Kieler SEALEVEL hat weltweit Daten gesammelt und hilft, das globale Meer-Atmosphäre-System zu verstehen. Darunter ist die Tiefsee noch weitestgehend unbekannt. Hinter den Kulissen vom Aufbau der Ausstellung SEALEVEL.
© Jana Koerth
In der Oberen Holstenstraße huschen die Menschen durch die Einkaufsstraße, es ist zwar kein Schmuddelwetter, aber auch nicht gemütlich. Ich bin auf dem Weg zum SEALEVEL. Kiel Marketing setzt in diesen Wochen die Ausstellung um, deren Konzept eigentlich für eine andere Immobilie entwickelt worden war. Damals war ich an der Ansprache potentieller Kooperationspartner beteiligt, das war noch alles sehr in der Theorie. Heute wird Dr. Mark Lenz vom GEOMAR in einem Vorbereitungstermin dem im SEALEVEL beschäftigten Personal eine inhaltliche Einführung zur Tiefsee und damit verbundenen Themen geben.
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Alles rund um die Ozeane und die Meeresschutzstadt Kiel:
Das SEALEVEL entsteht, eine Ausstellung zu Meeresschutz und Meeresforschung. Janine Streu und Jonas Godau sind eigentlich Innenstadt-Manager*innen von Kiel Marketing und nun in Zusammenarbeit mit Innopilot Ausstellungsmacher*innen. Sie bringen das Konzept in die Praxis. Jonas führt die kleine Gruppe durch den Raum, der zu diesem Zeitpunkt halb Baustelle und halb Sammlung von Ausstellungsstücken ist. Am Eingang stehen wir noch über dem Wasser, nach hinten in den Raum hinein geht es immer weiter in die Tiefen des Meeres. Dies wird sich in wenigen Tagen auch auf dem Boden widerspiegeln. In der Ausstellung wird immer jemand anwesend und ansprechbar sein und was heute passiert, kann man wohl unter dem Begriff Transfer fassen. Der Wissenschaftler wird der kleinen Gruppe eine Einführung zu den Exponaten geben. Und dies ist eine zentrale Idee der ganzen Ausstellung, man wird hier die Meereswissenschaften aus Kiel an einem vielleicht erstmal überraschenden Ort kennenlernen können.
„Apropos Tiefe: In der nächsten Stunde staune ich, aus welchen Tiefen seines Gehirns Mark diese vielen Informationen hervorholt.“
Dr. Jana Koerth
„70% der Oberfläche dieses Planeten sind mit Wasser bedeckt,“ Mark steht an einem ungewöhnlichen Globus, auf dem auch Höhen in der Topographie erkenn- und fühlbar sind. Viele Menschen haben beim Gedanken an das Meer eher ein Bild der Küste im Kopf, aber das Meer ist viel mehr und riesig. „Im Durchschnitt ist der Ozean 4000 m tief,“ die Hand des Meereswissenschaftlers fährt über die hubbelige Ozeanlandschaft, „an den Kontinentalhängen fällt das Gelände stark ab.“ Die große Ebene des Ozeans ist durchzogen mit Gräben und Bergen, das sieht man deutlich. Häufig denken wir bei „Meeresforschung“ an Taucher, die unter Wasser Daten sammeln, aber der Mensch kann von Ausnahmen abgesehen nur etwa 100 m tauchen und das auch nur mit speziellen Gasgemischen. Das ist Nichts im Vergleich zu der riesigen Wassersäule des Ozeans!
© Jana Koerth
Dr. Jana Koerth,
Kolumne MEERESLEUCHTEN:
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Wir bekommen nun eine Tiefsee-Vorlesung par excellence. Apropos Tiefe: In der nächsten Stunde staune ich, aus welchen Tiefen seines Gehirns Mark diese vielen Informationen hervorholt. Und es ist super spannend! „Forschung in der Tiefsee ist ähnlich menschenfeindlich wie die Erforschung des Weltalls,“ erklärt Mark. Man muss spezielle Ausrüstung haben und der Tauchgang in die Tiefsee geht vorwiegend nur mit unbemannten Geräten.
„Alle Prozesse da unten laufen viel langsamer ab als hier oben an Land. Bei Eingriffen in die Tiefsee wie beispielsweise dem Abbau von Manganknollen dauert es daher sehr, sehr lange, bis sich die Natur wieder regenerieren kann.“
Dr. Mark Lenz
Wir stehen an einem Exponat mit einem Hang, an dem wir in unterschiedlichen Tiefen Geräte zur Erforschung und beispielhafte Tierarten erkennen können. „Alles pflanzliche Leben seht Ihr hier an der Oberfläche,“ der GEOMAR-Forscher zeigt ans obere Ende der Vitrine. „Alles Leben darunter ist auf das angewiesen, was absinkt.“ Pottwale, wir können einen sehen, können als gleichwarme Organismen am tiefsten tauchen, sie jagen dort nach Kalmaren. Alle anderen Tiere in der Wassertiefe sind wechselwarm. Ganz unten in der Tiefsee hat das Wasser dauerhaft eine Temperatur vier Grad und es dringt kein Licht mehr durch die hohe Wassersäule. „Alle Prozesse da unten laufen viel langsamer ab als hier oben an Land. Bei Eingriffen in die Tiefsee wie beispielsweise dem Abbau von Manganknollen dauert es daher sehr, sehr lange, bis sich die Natur wieder regenerieren kann.“
Am GEOMAR wird daher unter anderem auch erforscht, ob Tiefseebergbau, der Abbau von Mineralien in der Tiefsee, ökologisch vertretbar ist. Darf der Mensch das machen? Und das vor dem Hintergrund, dass wir bisher nur wenig über die Tiefsee wissen? Mark fährt fort mit dem Klimawandel, der CO²-Aufnahme des Ozeans, den Möglichkeiten und Grenzen des Geoengineerings, also technischen Maßnahmen, den Klimawandel auszubremsen.
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World Ocean Review – Manganknollen und andere Rohstoffe aus dem Meer
Die Ostsee hat keine Tiefsee, sie ist im Schnitt nur etwa 50 – 60 m tief, nur an wenigen Stellen geht es weiter hinunter. Die maximale Tiefe liegt bei 456 m. „Sie liegt wie eine Pfütze auf einer Kontinentalplatte, ist von Landmassen umschlossen und nur durch eine kleine Verbindung mit dem Weltozean verbunden. Der Süßwasserzufluss und die Nährstoffzufuhr von den umliegenden Landmassen sind groß.“ Ideale Voraussetzungen für planktonische Mikroalgen, die in diesem Brackwassermeer immer wieder boomen, auch vor unserer Haustür.“ Wenn die Algen absterben, sinken sie nach unten und werden von Bakterien zersetzt, die den letzten noch vorhandenen Sauerstoff am Meeresboden verbrauchen. Lebensfeindliche Bedingungen folgen, teilweise bilden sich sogar tote Zonen. Eine Wiederbelebung dieser Bereiche kann es nur geben, wenn Wasser aus der Nordsee zuströmt,“ erläutert Mark. Es wird klar, die besondere Situation der Ostsee ist teils natürlich, teils menschgemacht. Eine Eigenheit noch, im Gegensatz zu anderen Orten auf der Welt mit bis zu 18 Metern Tidenhub, haben wir vor unserer Haustür nur 20 cm zwischen Ebbe und Flut. „Das macht die Ostsee zu einem idealen Revier für Wassersport,“ ergänzt Mark und unser Blick fällt auf die Ecke, in der in Kürze Ausstellungsstücke zum Ocean Race Europe platziert werden.
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Zur Erforschung des Meeresbodens werden einerseits Geräte eingesetzt, die auf dem Grund abgesetzt werden, andererseits gibt es auch solche, die durch das Meer schwimmen. Wir sehen einen Glider, der autonom durch das Wasser gleitet, ab- und wieder auftauchen kann und Daten zu Wassertiefe, Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffkonzentration und beispielsweise dem Chlorophyll a-Gehalt sammelt. Ab und zu steigt er auf und übermittelt seine Daten über einen Satelliten an das Kontrollzentrum. Und wenn ihm der Saft ausgeht, funkt er brav ein letztes Lebenszeichen, damit die Forscher*innen ihn wieder einsammeln können. Das gelbe Gerät ist mir sympathisch. Glider liefern der Meeresforschung Informationen zu Wasserkörpern und Strömungssystemen wie z.B. dem Golfstrom, der eine zentrale Rolle für unser Klima in Mitteleuropa spielt. Die Daten vermitteln ein dreidimensionales Abbild des Ozeans im Raum. Lässt man den Glider Daten selbstständig sammeln, ist dies viel effizienter, als wenn man die Informationen durch Proben von Schiffen aufnehmen würde.
Mark hat noch eine kleine Einheit zu Plastikmüll im Meer, der in vielen Meeresgebieten hauptsächlich aus Haushaltsmüll besteht. Die Zuhörerinnen fragen sich, wie man Menschen dazu bringt, ihren Müll richtig zu entsorgen und ihn nicht achtlos wegzuwerfen. „Vor allem auch mit Bewusstseinsbildung,“ antwortet Mark, „wie in Eurer SEALEVEL-Ausstellung.“ Eine Ergänzung: Es ist nicht Eure Ausstellung, das ist das Besondere, es ist eine gemeinsame Ausstellung, in der wir mit den Kieler Forschungsinstitutionen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel/Kiel Marine Sciences und der Fachhochschule Kiel gemeinsam das zeigen, was es in Kiel zu Meer und Meeresforschung gibt.
Das SEALEVEL zeigt, wie schön und spannend das Meer ist, aber auch vor welchen Herausforderungen es steht. Entdecken Sie spannende Ausstellungsstücke, interessante wissenschaftliche Infos und interaktive Stationen, die veranschaulichen, wie wichtig der Ozean für unser Leben ist.
Holstenstraße 2-12, 24103 Kiel
Website:
www.sealevel.de
Dr. Mark Lenz
Forschungsgebiete:
• Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf benthische Küstensysteme
• Mikroplastik in der Meeresumwelt
• Invasive Arten in benthischen Meeressystemen
• Abiotische und biotische Faktoren, die die Struktur und Vielfalt von Hartbodengemeinschaften steuern
• Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern in benthischen Systemen
• Bewuchs und biologische Bewuchsschutzmaßnahmen
© Dr. Jana Koerth
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