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WORLD OCEAN REVIEW: Transporte über das Meer
Eine Schlüsselbranche unter Druck
Die Schifffahrt hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zum Rückgrat des internationalen Handels entwickelt. Dieses Wachstum hat jedoch auch Schattenseiten: Schiffsabgase verschmutzen die Luft und beschleunigen den Klimawandel; Lärm, Abwässer, Müll und eingeschleppte Arten belasten die marinen Ökosysteme. Neue, umweltverträgliche Lösungen sind gefragt – und das so schnell wie möglich.
Die internationale Handelsschifffahrt war in den vergangenen Jahrzehnten stets auf Wachstum gepolt. Größer, schneller, immer mehr, so lautete das Motto der Branche, die zwischen 80 und 90 Prozent aller weltweit gehandelten Waren und Güter transportiert und damit das Rückgrat unserer globalen Konsumgesellschaft darstellt. Die dabei entstehenden Klima- und Umweltauswirkungen nahm sie lange Zeit billigend in Kauf – die eigene Schlüsselrolle und die stetig wachsende Bedeutung der Schifffahrt für die globalen Produktions- und Lieferketten machten es möglich.
Die IMO, hat das Ziel ausgegeben, die Treibhausgasemissionen der Handelsflotte bis zum Jahr 2050 um die Hälfte zu reduzieren.
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Abb.: Die meisten Schiffstransporte erfolgen auf festen Routen, die Industriezentren miteinander verbinden. Fachleute teilen diese in Haupt- und Nebenstrecken ein und kennen auch jene Passagen, in denen Vorsicht geboten ist, etwa wegen eines hohen Schiffsaufkommens.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem weltweit gestiegenen und weiter steigenden Bewusstsein für die Öko- und Klimabilanz des Transportwesens aber steht auch die Seeschifffahrt an einem Scheideweg. Ihr oberstes Gremium, die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO, hat das Ziel ausgegeben, die Treibhausgasemissionen der Handelsflotte bis zum Jahr 2050 um die Hälfte zu reduzieren – verglichen mit den Emissionen aus dem Jahr 2008. Die Kohlendioxidemissionen im Speziellen sollen um 70 Prozent gesenkt werden.
Operative Anpassungen wie zum Beispiel eine Reduktion der Fahrtgeschwindigkeit oder regelmäßige Reinigungen des Schiffsrumpfes haben zwar einen klaren Einspareffekt. Sie allein aber werden nicht ausreichen, um das Emissionsziel zu erreichen. Stattdessen bedarf es einer radikalen Transformation des gesamten Sektors. Gefragt sind zunächst einmal große Investitionen in die Entwicklung neuer Antriebssysteme und alternativer Treibstoffe zu dem bisher sehr verbreiteten Schweröl und Schiffsdiesel. Ammoniak und Wasserstoff scheinen bislang die vielversprechendsten Ersatzkraftstoffe, auch wenn wirklich brauchbare Lösungen für die Hochseeschifffahrt noch fehlen.
Die Küstenstaaten stehen vor der Herausforderung, ihre Häfen gegen die Folgen des fortschreitenden Klimawandels abzusichern.
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Anschließend gilt es, die Flotte mit den neuen Technologien auszustatten oder von Grund auf zu erneuern – ein Schritt, der ebenfalls viel Geld kosten wird.
Um Forschung und Entwicklung voranzutreiben sowie Investoren die notwendige Planungssicherheit zu gewähren, bedarf es weltweit einheitlicher Regularien, einer gemeinschaftlichen Steuer auf Treibhausgasemissionen sowie strikter Kontrollen durch die Flaggen- und Hafenstaaten. Gleichzeitig stehen die Küstenstaaten vor der Herausforderung, ihre Häfen gegen die Folgen des fortschreitenden Klimawandels abzusichern. Angesichts steigender Wasserpegel und der Zunahme von Wetterextremen haben hierbei vor allem der Schutz vor Sturm, Hochwasser und Hitze oberste Priorität. Auch versucht man intensiv dem Problem der Küstenerosion in vielen Regionen Herr zu werden. International führende Häfen wie Rotterdam beschließen zudem eigene Klimaziele und entwickeln Strategien, mit denen die hohen Treibhausgasemissionen des Hafenbetriebes und aller dazugehörigen Industrien drastisch reduziert werden können.
Abb.: Der Schiffsverkehr auf der Nordostpassage beschränkt sich bislang vor allem auf regionale Transporte sowie auf Flüssiggastransporte aus der Arktis nach Europa oder Ostasien. Je weiter und früher im Jahr das Meereis jedoch zurückweicht, desto attraktiver wird die Alternative zur Sueskanalroute. Im Januar 2021 gelang drei LNG-Tankern erstmals eine Passage im Winter ohne Hilfe eines Eisbrechers. Weitere solcher Fahrten werden folgen.
Aus: World Ocean Review Nr. 7, 2021, Hamburg.
Zunehmend in den Fokus rücken außerdem die direkten Umweltauswirkungen der Schifffahrt wie zum Beispiel die Belastung durch Abgase, Abfälle, Abwässer, Lärm und eingeschleppte Arten. Einige dieser Problemfelder sind seit Jahrzehnten bekannt und werden nach und nach durch internationale Regelungen angegangen. Anderen wiederum kommt die Wissenschaft erst jetzt auf die Spur – so etwa der Lärmbelastung durch Schiffsverkehr, die viel weiter reichende Auswirkungen auf die Meeresumwelt hat, als man bislang annahm.
Vergleichsweise neu auf der Agenda ist auch die Gefahr von Kollisionen mit großen Meeressäugern. Wie verschiedene Studien zeigen, versprechen eine vorausschauende Routenplanung sowie ein langsameres Fahren in Gebieten mit hoher Tierdichte die größten Erfolge.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der maribus gGmbH.
Der mareverlag gründete 2008 die gemeinnützige Gesellschaft maribus, um die Öffentlichkeit für meereswissenschaftliche Zusammenhänge zu sensibilisieren und somit zu einem wirkungsvolleren Meeresschutz beizutragen. Kein kommerzieller Gedanke, sondern allein eine möglichst hohe Aufmerksamkeit für die Belange der Meere sollte im Vordergrund stehen. Der „World Ocean Review“ ist eine einzigartige Publikation über den Zustand unserer Meere und spiegelt den aktuellen Stand der Wissenschaft wider. Alle WOR-Ausgaben können hier kostenfrei bestellt oder als PDF heruntergeladen werden: https://worldoceanreview.com/de/
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