© Bundeswehr / Marcel Kröncke

InterviewKielSegelnTeamspirit

AN BORD DER GORCH FOCK: Interview mit FKpt. Bornkessel, Kommandant
„Windstärke 10, da ging es gleich richtig zur Sache.“

 

Kaptän Bornkessel, Kommandant der Gorch Fock, ist mit seiner Mannschaft gerade in Las Palmas angekommen. Hinter ihnen liegt ein harter Ritt durch den Atlantik mit Windstärke 10 und mehr. Wir sprechen über Teamwork an den Brassen, warum die Gorch Fock fürs Leben schult, über das Manöver einer Fregatte 1797 – und was das alles mit einem Poster zu tun hat, das 1981 in seinem Kinderzimmer hing.

Fregattenkapitän Elmar Bornkessel

Fregattenkapitän Elmar Bornkessel

Kommandant Gorch Fock

Gorch Fock

Die Gorch Fock, 1958 in Dienst gestellt, ist das Segelschulschiff der Deutschen Marine mit Heimathafen Kiel. Beim Start des Ocean Race Europe wird sie am Sartorikai festmachen und beim Open Ship besuchbar sein.

Kiel-Marketing: Herr Kaptän Bornkessel, Sie sind als Kommandant der Gorch Fock momentan auf der 182. AAR unterwegs. Wo befinden Sie sich gerade?

FKpt. Elmar Bornkessel: Wir sind gerade in Las Palmas auf Gran Canaria. Eigentlich war geplant, nach Madeira zu fahren, aber man hatte uns kurzfristig mitgeteilt, dass der eigentlich avisierte Hafen an der Südostspitze aufgrund von Bauarbeiten nicht für uns befahrbar ist.

Das musste alles sehr kurzfristig geschehen, und das mit einem Segelschiff, das von Windrichtungen abhängig ist, zumal als ein Schiff der Deutschen Marine, das immer auch mit offiziellem diplomatischem Auftrag unterwegs ist. 

Ob nun Madeira oder Kanaren, da könnte man natürlich wie Andi Möller sagen „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“, dann fahren wir halt woanders hin. Das ist bei einem Segelschiff natürlich nicht so, das hat für uns schon signifikante Konsequenzen. Ich muss schauen, ob ich dort rechtzeitig hinkomme und ob ich von dort aus im Zeitplan zum nächsten Hafen auf der Route komme. Zudem wollten einige ihre Familien nach Madeira holen, das war alles schon gebucht, Flüge, Hotels.

Da hängt natürlich auch diplomatisch einiges dran, und da muss ich sagen, haben die spanischen Behörden, die deutsche Botschaft in Madrid und der Konsul hier auf Gran Canaria sehr gut mitgespielt und etwas möglich gemacht, ohne dass man mal monatelangen Vorlauf braucht.

War es für Sie eigentlich immer schon vorgezeichnet, dass sie zur Marine gehen? Sie kommen aus Friedigerode, das liegt südlich von Kassel.

Ich hatte schon früh eine Grundaffinität zur Bundeswehr und insbesondere die Marine hatte natürlich für jemanden wie mich als kleinen Jungen aus Nordhessen schon eine gewisse Faszination. Ich bin als kleines Kind ein-, zweimal zur Kur an der Nordsee gewesen. Da bin ich erstmalig mit der See in Kontakt gekommen, das hat mich fasziniert. Ich hätte allerdings, im Nachhinein mag ich das kaum sagen, auch Heeresoffizier werden können.

Irgendwie war das damals so ein Wink des Schicksals, und die Gorch Fock war tatsächlich das Zünglein an der Waage. Als ich klein war, hing bei mir im Zimmer ein Poster der Gorch Fock in ihrer vollen Anmut, Schönheit, Eleganz.

Gorch Fock Brassen

© Bundeswehr / Marcel Kröncke

Gut, dass Sie das gemacht haben. Wenn man an die Marine denkt, hat man eher die grauen Schiffe vor Augen, und hier nun der „weiße Schwan der Ostsee“. Ist das nicht anachronistisch?

Ich finde, es passt komplementär zusammen. Ich bin ja kein reiner Gorch-Fock-Fahrer, sondern habe auch alle Verwendungen in der Marine auf grauen Schiffen durchlaufen. Ich sehe es also nicht als Widerspruch, sondern als sinnvolle Ergänzung. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das, was wir auf diesem Schiff in einer ganz frühen Phase der Offiziersausbildung vermitteln, nirgendwo anders vermitteln können.

Durch die Ausbildung auf der Gorch Fock und vor dem Hintergrund der Veränderungen, die wir von Generation zu Generation bei den jungen Menschen sehen, ist die Gorch Fock heute wichtiger denn je. Hier an Bord können wir zielgerichtet am Menschen arbeiten. Jeder, der hier offen an diese Ausbildung herangeht, wird davon zeitlebens profitieren, auch im weiteren Verlauf seiner Ausbildung und Karriere bei der Bundeswehr. Es ist eben schon etwas, wenn man bei acht Meter Welle an den Brassen steht, die See überkommt, es kalt ist, es regnet und man vielleicht lieber etwas anderes machen möchte. Aber man weiß, es ist jetzt quasi unausweichlich, unerbittlich. Man muss hier seinen Dienst tun, sonst funktioniert es nicht. Das zu wissen, das hilft einem später in der Karriere, davon bin ich fest überzeugt.

„Die gesamte Palette der Social Skills wird hier an Bord abgebildet.“

FKpt. Elmar Bornkessel

Die Arbeit an den Brassen geht nicht allein. Das hat viel mit Teamwork zu tun.

Die gesamte Palette der Social Skills wird hier an Bord abgebildet. Das Arbeiten an der Brassen, also das Verändern der Stellung der Rahsegel, ist tatsächlich mit das Kraftaufwändigste an Bord. Alleine bewegt man da gar nichts, es kommt darauf an, als Team koordiniert zu arbeiten und dann wird man sehen, dass man auch mit wenigen Leuten einen Großsegler wie die Gorch Fock beherrschen kann. Das ist ein Erkenntnisgewinn, den man, glaube ich, mitnehmen kann in sein weiteres Leben.

Björn Both hat neulich gesagt: „Die Seemannschaft kann sehr gut als eine Art Geländer dienen, an dem man sich auch an Land ziemlich gut entlang hangeln kann.“ Können Sie das nachvollziehen?

Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Diese Aussage möchte ich mir fast zu eigen machen, ich finde sie finde sie wirklich gut. In der Tat könnte man sich fragen: Geht es an Bord der Gorch Fock nur um das Erlernen praktischer Fertigkeiten? Aber das ist nicht das Entscheidende, sondern es ist im Prinzip der Rahmen, die Reling, die man dann mitnimmt in sein weiteres Leben. 

Gehen Sie auch manchmal noch in die Rahen? Boris Herrmann hat nach eigener Aussage etwas Höhenangst. Trotzdem ist er, als es darauf ankam, rund 30 Meter hoch in den Mast gestiegen.

Ja, ich bin auch ab und zu mit oben, einfach um mich in Übung zu halten, aber auch, um den Kadetten zu signalisieren, dass das kein Hexenwerk ist. Das Thema Höhenangst ist so eine Sache, wo man genauer hinschauen muss. Ich glaube, Höhenangst ist in der Selbstdiagnose oft nicht zutreffend. Wenn Boris Herrmann sagt, er hat Höhenangst, dann glaube ich ihm das nicht so ganz. Ich glaube, er hat vielmehr Respekt vor der Höhe. Und das ist das, was wir hier auch jedem Kadetten vermitteln. Er hat es ja trotzdem getan, wenn wir die Bilder sehen, die auch um die Welt gegangen sind, wie er seine Instandsetzungsarbeiten oben in der Takelage durchgeführt hat. Also, ich will ihm das nicht absprechen, aber ich glaube, das ist keine Form von Höhenangst im medizinischen Sinne.

Björn Both

Björn Both

Segler, Frontmann SANTIANO und Botschafter der UN-Ozeandekade

© Bundeswehr / Marcel Kröncke

„Als Kommandant darf man da nicht leichtsinnig rangehen, ich muss die Segelführung betrachten, was bin ich bereit an Risiko einzugehen? Welche Segel bin ich bereit zu setzen, wenn ich den Ausbildungsstand der Besatzung berücksichtige?“

FKpt. Elmar Bornkessel

Wenn man auf dem Schiff ist, egal ob auf der Gorch Fock oder auf einem anderen Schiff, kann man schon generell Respekt vor der See haben – vor dem Wind, den Wellen, der Weite, dem endlosen Grau bis zum Horizont. Merken Sie das auch bei sich selbst oder bei der Mannschaft?

Gerade beim letzten Reiseabschnitt hatten wir eine lang anhaltende Schlechtwetterphase, wenige Tage nach dem Auslaufen hatten wir Windstärke 10, was schon einiges an Seegang produziert, und wir sind mit einer frisch ausgebildeten Besatzung ausgelaufen. Wir haben zwar eine sehr intensive Ausbildung im Hafen, nichtsdestotrotz wäre eine Aufwärmphase auf See gut gewesen. Aber da ging es halt wirklich gleich richtig zur Sache. Als Kommandant darf man da nicht leichtsinnig rangehen, ich muss die Segelführung betrachten, was bin ich bereit an Risiko einzugehen? Welche Segel bin ich bereit zu setzen, wenn ich den Ausbildungsstand der Besatzung berücksichtige? Wir sind da als Besatzung enger zusammengewachsen, wir haben jetzt ein höheres Ausbildungsniveau. Ich bin natürlich gezwungen, zu schauen, was ist wirklich möglich, sonst macht es keinen Sinn, sonst könnte ich einfach nur die Segel setzen und quasi vor mich hin treiben. Das machen wir nicht. Auch wenn wir ein Segelschiff sind, sind wir wir ein Kriegsschiff. Wir haben einen Auftrag durchzuführen, und der setzt voraus, dass ich rechtzeitig im nächsten Hafen bin.

Gorch Fock Bornkessel Interview

Der Kommandant an Bord in Las Palmas, der Interviewer im Steinschiff in Kiel

Gorch Fock Albatros und Anker

© Bundeswehr / Marcel Kröncke

Das schweißt eine Mannschaft noch mehr zusammen. Spürt man das an Bord?

Ja, auf jeden Fall. Ich ziehe natürlich nach jedem Ausbildungstörn ein Fazit. Auch wenn das mein erster Törn als Kommandant ist, habe ich bereits viele Ausbildungsfahrten mitgemacht, und wenn ich einen Vergleich ziehe, würde ich fast sagen, das es hier die beste Ausbildungsreise ist, die ich bis dato gemacht habe, und das hängt im Wesentlichen mit den Bedingungen zusammen. Wenn Sie die Kadetten gefragt hätten, dann hätten sich Lust und Spaß wohl stark in Grenzen gehalten. Wir hatten ein Viertel junge Kadetten, die seekrank waren, einige auch so stark, dass sie nicht mehr zu Arbeiten herangezogen werden konnte. Aber das ist ja gerade dieser Effekt, den wir eigentlich erreichen wollen: Man wird vor Herausforderungen gestellt, man steht die irgendwie durch, und dann kann man mit Stolz darauf zurückblicken und sich selbst auf eine neue Stufe heben.

Apropos Seegang: An Bord der Gorch Fock wird noch immer in Hängematte geschlafen?

Ja, die Kadetten haben den Vorteil, dass sie vom Seegang zumindest während des Schlafs nicht so betroffen sind. Aber für mich in meiner festen Koje war es schon schwierig, wo ich auch dachte, es könnte nun mal ein bisschen weniger werden. Aber wir hatten durchgehend Windstärke 10, in Böen 11 in der Anfangsphase.

© Bundeswehr / Marcel Kröncke

Beim Ocean Race wurde die Seglerin Rosalin Kuiper einmal bei schwerem Seegang aus der Koje gekugelt, erlitt eine Platzwunde. Die Crew musste sie verarzten und ihre Position eine Weile kompensieren. Mit diesem Korpsgeist, oder um es sportlicher auszudrücken, mit diesem Teamgeist in Extremsituationen muss die Crew umso mehr zusammenarbeiten und füreinander da sein. Natürlich kann ein Trainer seine Mannschaft zu einem Ziel prügeln, aber langfristig ist er eher ein Motivator und Fels in der Brandung. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Kommandant?

Ich glaube, der Vergleich mit dem Trainer trifft es ganz gut. Ich sehe mich, natürlich auch als großer Fußballfan, in der Rolle eines Trainers. Ich muss sehen, dass ich die Mannschaft richtig zusammenstelle, sie mitnehme und motiviere, um die anstehenden Aufgaben erfolgreich zu meistern. Mein Credo beschreibe ich mit drei Worten: mitwissen, mitdenken, mithandeln. Das führe ich sehr transparent durch und erkläre, warum Dinge so sind, wie sie sind. Diese Nachvollziehbarkeit sorgt dafür, dass die Mannschaft hinter dem steht, was wir machen. Dieses Zusammenschweißen, auch in schwierigen Situationen Dinge zu meistern, das hat wirklich einen Korpsgeist geschaffen, nicht nur bei den Offiziersanwärtern, sondern wir sind als ganze Besatzung sehr, sehr eng zusammengewachsen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die Besatzung an Bord der Gorch Fock im Vergleich zu anderen Einheiten auf See?

Die Lebensverhältnisse an Bord sind über die Jahre natürlich immer weiter verbessert worden. Die Gorch Fock ist zwar 1958 gebaut worden, aber von der Konstruktion her noch einmal über 20 Jahre älter, so dass die Lebensbedingungen hier wesentlich herausfordernder sind, als auf jeder anderen Einheit der Deutschen Marine. Bei uns schlafen 20, 25, 30 Männer und Frauen in Hängematten auf kleinen Decks. Während der Segelvorausbildung muss man sich daran gewöhnen, aber der positive Effekt stellt sich ein, wenn wir auf See sind und man feststellt, man kann gut schlafen in diesen Hängematten und sich nichts anderes wünscht. Meine Botschaft an alle Kadetten zur Begrüßung ist immer: Wer die sechs Wochen auf der Gorch Fock gut durchsteht, dem garantiere ich, dass er später an Bord von Fregatten, Korvetten oder Versorgern niemals Probleme haben wird mit Wachrhythmus, mit wenig Schlaf, mit harten Seegangsbedingungen, mit eingeschränkten Lebensverhältnissen. Wer es hier hier schafft, schafft es auch woanders.

© Bundeswehr / Marcel Kröncke

Wie sieht ein typischer Tag an Bord aus, mit welchem Wachrhythmus fahren Sie?

Wir haben einen Vierer-Wachstopp, das hört sich jetzt vielleicht für diejenigen, die schon mal woanders zur See gefahren sind, entspannt an, weil so eine Wache in Anführungszeichen die luxuriöseste Variante ist. Aber wenn die Kadetten nicht auf Seewache sind, haben sie tagsüber Unterricht und praktische Ausbildungseinheiten, sodass in Summe wenig Schlaf übrig bleibt. Dazu kommen natürlich noch die persönliche Hygiene, die Vorbereitung auf Prüfungen und das Nacharbeiten des Unterrichts. Es ist ein anstrengender Job, den wir hier alle machen, aber nichtsdestotrotz bringt es eine große Berufszufriedenheit mit sich und meiner Wahrnehmung nach den meisten anderen an Bord auch, zumindest kann ich das für die Stammbesatzung sagen. Das sind alles Überzeugungstäter, es ist keiner gezwungen, auf der Gorch Fock zu fahren, die machen das alle freiwillig und nehmen alle Härten, die die Seefahrt auf der Gorch Fock mit sich bringt, gerne in Kauf.

Die Boote beim Ocean Race aber auch Arved Fuchs, der mit seiner fast 100 Jahre alten Dagmar Aaen Expeditionen in die Arktis unternimmt, haben verschiedene mobile Labore für Meerwassermessungen an Bord, zum Beispiel das OceanPack, das täglich 20.000 Messungen vornimmt und die Daten direkt an Institute wie das Geomar via Satellit sendet. Wäre es auch an Bord der Gorch Fock denkbar, solche Labore an Bord zu nehmen oder andere Messgeräte, die im Meer ausgesetzt werden?

Grundsätzlich wäre etwas Ähnliches auch auf der Gorch Fock möglich. Was auf eine Imoca passt, sollte auch bei uns passen. Als Kommandant würde ich einem solchen Projekt positiv gegenüberstehen und die Marine sicherlich auch. Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei uns an Bord eine große Rolle. Aktuell läuft ein Forschungsprojekt des Thünen-Instituts für Holzforschung aus Hamburg in Kooperation mit uns, um Alternativen zu Naturwald-Teak für Schiffsdecks zu finden. Als Alternative werden seit 2001 auf einer Versuchsfläche auf dem Oberdeck die Holz-und Gebrauchseigenschaften der Holzarten Afzelia, Iroko, Itaúba und modifiziertes Limba in einem Langzeit-Monitoring geprüft. Wir sind froh, hier einen wichtigen Beitrag für die Forschung leisten zu können, denn die Beanspruchung auf einem Segelschulschiff ist für ein Holzdeck schon ein echter Härtetest.

„Wenn ich mir die Rah-Besatzungen anschaue, dann fällt mir schon auf, dass die Großroyal- und Großbramrah derzeit nur mit Frauen besetzt sind.“

FKpt. Elmar Bornkessel

Seit 1989 sind auch Frauen an Bord, werden unter Deck besondere Maßnahmen zur Trennung von Männern und Frauen getroffen? Und gibt es einen Unterschied in der Haltung und in der Leistungsbereitschaft zwischen Männern und Frauen an Bord?

Im Grundsatz würde ich sagen, nein. Wenn ich mir das jetzt im Detail anschaue, kann ich schon sagen, dass vielleicht im Durchschnitt betrachtet die Frauen tatsächlich etwas besser sind. Die Lehrgangsbeste jetzt war eine junge Frau, die in allen Bereichen herausragende Leistung gezeigt hat. Nicht nur in der Leistung, sondern die uns auch durch ihr Verhalten, ihr Auftreten, ihren Charakter, ihre Persönlichkeit in allen Bereichen voll überzeugt hat. Wenn ich mir die Rah-Besatzungen anschaue, dann fällt mir schon auf, dass die Großroyal- und Großbramrah derzeit nur mit Frauen besetzt sind. Das sind 35, 40 Meter Höhe, da hilft es, etwas kleiner zu sein, aber die Wahrheit ist auch, da mag nicht jeder gerne arbeiten.

Wir haben sechs Decks, wo die Kadetten und Segelcrew untergebracht sind. Im Prinzip ist es eine nahezu gemischte Unterbringung, wo wir einfach nur einen Vorhang haben, der die Frauen von den Männern trennt, da sind wir sehr progressiv und völlig unprätentiös. Wenn die Leute nachts von ihrer Wache abziehen, haben sie, glaube ich, andere Probleme, als sich vor ihrem Spind erstmal völlig abzuschotten, um dann ihren Blaumann auszuziehen und die Schlafanzughose anzuziehen.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Gleichbehandlung bei manchen Frauen in der Wirtschaft auf offene Ohren stößt.

Entscheidend ist das Teamwork, das am Ende funktioniert, da sehe ich überhaupt keine Unterschiede und das freut mich besonders, dass wir da wirklich Vorreiter sind.

„Ich war Fan in jungen Jahren und habe dann über die Jahre alle Poster gesammelt, die von der Bundeswehr aufgelegt wurden. Irgendwann habe ich festgestellt, die sind von Mal zu Mal schlechter geworden. Die Segel, die runterhängen oder teilweise backstehen.“

FKpt. Elmar Bornkessel

Gibt es eigentlich für Sie persönlich Extremsituationen auf See oder besonders schöne Momente, an die Sie sich immer wieder sich gerne erinnern?

Ich habe tatsächlich viele Erinnerungen, aber gerade der letzte Reiseabschnitt mit den skizzierten Herausforderungen war besonders. Das macht einen wirklich stolz, dass wir als Team so gut funktionieren, dass die Mannschaft weiß, dass das Schiff in jeder Situation von uns immer beherrscht wurde. Ich habe die Verantwortung für das Schiff, aber logischerweise auch für die Besatzung. Dass es am Ende des Tages ein Segelschiff ist, das ist schon eine Sache, die man nie auf die leichte Schulter nehmen kann, man muss das wirklich zu jeder Zeit, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute genau beobachten.

Vor wenigen Tagen hatten Sie noch ein besonderes Erlebnis, die Operation White Swan. Sie nannten es „ein Manöver ähnlich den Taktiken der großen Seeschlachten des 18. Jahrhunderts“.

Ich hatte ja eingangs skizziert, was mich zur Marine gebracht hat, unter anderem ein Poster der Gorch Fock, das 1981 in meinem Kinderzimmer hing. Ich war Fan in jungen Jahren und habe dann über die Jahre alle Poster gesammelt, die von der Bundeswehr aufgelegt wurden. Irgendwann habe ich festgestellt, die sind von Mal zu Mal schlechter geworden. Die Segel, die runterhängen oder teilweise backstehen. Das kann man niemandem vorwerfen, der Kommandant ist kein Fotograf und der Fotograf ist kein Segler, es ist schwierig, ein vernünftiges Foto der Gorch Fock einzufangen, das seglerischen und fotografischen Ansprüchen genügt. Aber ich glaube, ein gutes Foto hat auch eine große Außenwirkung für die Bundeswehr. Dies ist nur die eine Seite der Medaille. Denn es ist die seglerische Herausforderung, das überhaupt bewerkstelligen zu können. Ich muss ausreichend Wind haben, dass die Segel gut stehen, aber da ist dann natürlich auch schon wieder die Grenze, wo ich bei zu viel Fahrt mein Beibooot mit dem Fotografen aussetzen kann. Ich muss aufstoppen, muss dann ablaufen und dann in unserem Fall mit einer Halse wieder auf Gegenkurs gehen. Mit der entsprechenden Windgeschwindigkeit sind wir dann schnell acht Meilen abgelaufen …

Gorch Fock Brassen

… und mussten das Beiboot wiederfinden …

… genau, das Beiboot müssen wir dann auch wiederfinden, denn bei zwei bis drei Metern Seegang geht dann auch der Radarkontakt verloren. Dazu kommt noch, dass wir natürlich das Lee-Foto haben wollen. Diese ganzen Faktoren, das ist im Prinzip nichts anderes als das, was 1797 ein Kapitän einer englischen Fregatte gemacht hat, als er vor Brest einen französischen Blockadebrecher aufgebracht hat. Der hat genau die gleichen Überlegungen angestellt: Wie muss ich anlaufen, wann muss ich mein Manöver fahren, wann muss ich wieder auf den Kontakt zulaufen, welche Position muss ich einnehmen, Luv oder die Lee? Deshalb war es wirklich eine seglerische Meisterleistung der Mannschaft hier an Bord, Segelausbildung auf höchstem Niveau, um das auf einem hoffentlich ikonischen Foto festzuhalten. Wir haben eine limitierten Auflage von 187 Fotos gemacht, und jedes Besatzungsmitglied hat eines dieser Fotos mit einem Zertifikat auf der Rückseite erhalten. 

So wie ich als damals kleiner Junge von diesem Poster fasziniert war, gibt es heute vielleicht andere Jungen und Mädchen, die ähnlich fasziniert sind von einem Großsegler und die sagen: Seefahrt, Marine, das interessiert mich. Wenn wir dazu einen kleinen Beitrag leisten können, dann würde mich das wirklich sehr, sehr stolz machen und dann haben wir nicht nur seglerisch etwas Besonderes vollbracht, sondern vielleicht auch einen positiven Effekt für die Bundeswehr und am Ende des Tages für die Bundesrepublik Deutschland erzeugt.

Gorch Fock
Gorch Fock Beiboot

© Bundeswehr / Padberg

© Bundeswehr / Theska

Im August sind Sie mit der Gorch Fock auch in Kiel beim Ocean Race Europe, werden Sie dann Poster mit diesem neuen Motiv für die Menschen in Kiel an Bord haben?

Ich weiß jetzt nicht, wie schnell die Marine ist, aber ich hab schon mal überlegt, wie es wäre, wenn man das privat finanzieren würde …

… gut. Dann verspreche ich Ihnen hiermit, dass wir bei Kiel-Marketing Sie dabei unterstützen werden. Die Gorch Fock ist ein Wahrzeichen für die Menschen in Kiel und weit darüber hinaus. Haben Sie etwas, das Sie den Kielerinnen und Kielern in ihrem Heimathafen mit auf den Weg geben möchten?

Wir freuen uns auf jeden Fall, wieder zurückzukommen. Der Seemann sagt immer, er will wieder auf See, aber wenn er auf See ist, will er auch wieder in den Heimathafen. Deshalb freuen wir uns wirklich sehr, dass wir in diesem Jahr nach einer langen Ausbildungsreise wieder zurückkommen. Und wir sind stolz und froh, dass wir das Schiff den Kielerinnen und Kielern einmal in einem anderen Kontext zeigen können, nämlich mitten in der Stadt am Sartorikai, und dann hoffentlich viele Kielerinnen und Kieler bei uns an Bord begrüßen dürfen.

Gorch Fock

© Bundeswehr / Theska

Die Gorch Fock unter Vollzeug –
Atlantik, März 2025 

Die Operation White Swan“

© Kiel-Marketing GmbH
Artikelrechte erwerben