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ReportagePartnerMeeresschutz

MEKUN: Schutz der Meere
Watt’n Hummer – Forschung für Biodiversität und Artenschutz

 

Auf Spurensuche im Wattenmeer: Der Europäische Hummer galt lange als fast verschwunden. Unerwartete Funde im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer geben nun Anlass zur Hoffnung – und werfen neue Fragen auf. Das HUSAWA-Projekt geht diesen Hinweisen wissenschaftlich auf den Grund.

Der Europäische Hummer – ein heimischer Riese in Gefahr

 

Der Europäische Hummer (Homarus gammarus) gehört zur Ordnung der Zehnfußkrebse (Decapoda) und ist der größte heimische Krebs in der Nordsee. Hummer-Weibchen wachsen langsamer als die Männchen und erreichen ihre Geschlechtsreife erst mit 4-6 Jahren. Jedes Weibchen produziert jährlich bis zu 20.000 Eier, von denen jedoch nur ein winziger Bruchteil überlebt.

In der Nordsee gilt der Hummer mittlerweile als stark gefährdet. Seine einst sehr reichen Bestände sind seit den 1960er Jahren stark eingebrochen – ein Rückgang, der mit großer Wahrscheinlichkeit durch Überfischung, Klimawandel, Verschmutzung und Zerstörung seines Lebensraums verursacht wurde. Trotz verschiedener Schutzmaßnahmen haben sich die Bestände bislang nicht erholen können.

Steckbrief Europäischer Hummer


Lat. Name: Homarus gammarus

Größe: bis 60 cm

Gewicht: bis 6 kg

Alter: über 60 Jahre

Verbreitung: von den Lofoten (Nordnorwegen) bis Marokko und Mittelmeer

Lebensraum: felsige Meeresböden, bis 60 m Wassertiefe

Ernährung: nachtaktive Jäger – Muscheln, Schnecken, Würmer, Fische, Aas

Fortpflanzung: Geschlechtsreif mit 4-6 Jahren; Weibchen tragen mehrere Tausend Eier; Larven schlüpfen nach 10-12 Monaten und durchlaufen 3 Stadien im freien Wasser, bevor sie im 4. Stadium zum Leben auf dem Meeresboden übergehen

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Warum ist der Lebensraum so wichtig?

 

Hummer bevorzugen felsige Meeresböden, wo sie sich in Ritzen oder unter Steinen verstecken können. Sie gelten als äußerst ortstreu und entfernen sich meist nur wenige hundert Meter von ihrer Höhle. Doch der Meeresboden vieler Küstenregionen wurde über Jahrzehnten unter anderem durch den Einsatz von Grundschleppnetzen stark verändert, wodurch die Hummer wichtige Rückzugsräume verloren haben.

Windparks und Wiederansiedlung: Hoffnung für den Hummer

 

Positiv könnte der Ausbau von Offshore-Windparks sein, durch den neue Lebensräume auf dem ansonsten weichen Meeresboden geschaffen werden, die Hummern potenzielle Rückzugsräume bieten. Windparkflächen sind zudem für bodenberührende Fischerei gesperrt. Erste Untersuchungen im Windpark „Riffgat“ haben gezeigt, dass Hummer in diesen Gebieten vorkommen. Ob Hummer dauerhaft in Windparkgebieten bleiben oder abwandern, bleibt unklar und wird weiterhin erforscht. 

Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Hummerbestände ist das Wiederansiedlungsprojekt auf Helgoland, das 1999 begann. Dafür werden eiertragende Weibchen gefangen, deren Larven großgezogen und als Junghummer im Alter von einem Jahr in die Freiheit entlassen. Seit 2018 wird das Projekt von Reefauna fortgeführt. Erste Erfolge zeigen sich in der Wiederauffindung von etwa zehn Prozent der ausgesetzten Hummer, was auf ein langsames Wachstum der Population rund um Helgoland hinweist.

Fänge im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

 

Die unerwarteten Hummerfunde im Nationalpark während Monitoringausfahrten – weit weg von den bekannten Beständen um Helgoland – gaben den Impuls für weitere Untersuchungen. In den letzten Jahren konnten insgesamt 24 Hummer mithilfe von Hummerkörben gefangen werden. Die Fänge konzentrierten sich vor allem vor Pellworm und im Hörnum Tief vor Sylt - Regionen mit steinführenden Sedimenten. Alte Männchen und eiertragende Weibchen unter den Fängen deuten darauf hin, dass es sich nicht nur um wandernde Tiere handelt, sondern um eine kleine, aber gut etablierte Hummerpopulation im Wattenmeer – und das gab den Anstoß für das HUSAWA Projekt.

Hummer

© Dr. Ulrike Schückel

Hummerweibchen mit Eiern

FUN FACTS


Scherenhändigkeit
Hummer sind Links- oder Rechtshänder - je nachdem, auf welcher Seite ihre kräftige Knackschere sitzt.

Kraftpakete
Die Scheren können über 90 kg/cm Druck erzeugen - vergleichbar mit der Beißkraft eines Bullenhais.

Früher „Arme-Leute-Essen"
Hummer galten einst als billige Kost für Arbeiter, Sklaven und Gefangene.

Blaues Blut
Hummer haben blaues Blut – wegen des Kupfers im Blutfarbstoff Hämocyanin.

Wachstum ohne Ende
Hummer häuten sich und wachsen – und das ein Leben lang.

HUSA… was? HUSAWA!

 

Das Projekt HUSAWA (Hummer–Sandkoralle–Wattenmeer) untersucht, ob sich im Wattenmeer möglicherweise eine eigenständige Hummerpopulation entwickelt hat. Dazu werden mitochondriale Genome der Hummer aus dem Wattenmeer, von Helgoland und aus den Windparks sequenziert, um den Genfluss und die Konnektivität zwischen den Populationen zu studieren.

Auch die Larvenphase gibt Rätsel auf: Hummerlarven leben in ihren ersten Wochen pelagisch – also frei in der Wassersäule. Trotz intensiver Probenahme wurden sie in klassischen Netzfängen bisher kaum nachgewiesen. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, kombiniert das Projekt klassische mit modernen Methoden: Mit Planktonnetzen und genetischen Verfahren wie Metabarcoding wird gezielt nach Hummer-DNA in Wasser- und Planktonproben gesucht.

Zudem werden die gefangenen Hummer mit Farbmarkierungen und akustischen Sendern ausgestattet, um Aufschluss über ihre Verbreitung, Bestandsgröße und Aufenthaltsorte zu geben. Diese Daten sind entscheidend, um künftig gezielte Schutzmaßnahmen einrichten zu können.

„Kurs Natur 2030“ – die Biodiversitätsstrategie des Landes Schleswig-Holstein

 

Die Biodiversitätsstrategie Kurs Natur 2030 in Schleswig-Holstein will die biologische Vielfalt erhalten und bedrohte Arten schützen. Besonders im marinen Bereich sollen 30 Prozent der Küsten- und Meeresgebieteökologisch hochwertig werden. Dazu gehören Maßnahmen wie die Renaturierung von Seegraswiesen, der Schutz wandernder Fischarten und die Reduzierung menschlicher Eingriffe. Ziel ist es, die Ökosysteme widerstandsfähiger zu machen und ihre natürlichen Funktionen zu bewahren, damit sie langfristig Lebensräume für Tiere und Pflanzen bieten. Daher wird unter anderem auch das Projekt HUSAWA über die Biodiversitätsstrategie gefördert.