© P. Schubert
MEKUN: Interview mit Philipp Schubert, Seegrasforscher
Was Seegras, Segler und der T-Rex miteinander zu tun haben
Moin, ich bin Rolf Karez, ich bin Meeresbiologe und arbeite seit über 20 Jahren im Landesamt für Umwelt in Schleswig-Holstein (LfU). Dort bin ich für Seegräser und Meeresgroßalgen zuständig und ich sitze hier mit Philipp Schubert vom GEOMAR, mit dem das LfU seit 15 Jahren zu Seegraswiesen zusammenarbeitet.
Philipp Schubert
Seegrasforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel
Philipp Schubert: Ja, genau, ich bin Seegrasforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung hier in Kiel und beschäftige mich mit Seegras.
Was ist denn eigentlich Seegras und wie unterscheidet sich das von Algen?
Seegras könnte evolutionsbiologisch eigentlich nicht weiter weg sein von Algen. Es gibt Braun-, Rot- und Grünalgen, und aus den Grünalgen haben sich die Landpflanzen entwickelt. Von diesen Landpflanzen, aus denen auch Blütenpflanzen entstanden sind, sind vor 65 Millionen Jahren, als T-Rex gerade über die Erde streifte, ein paar wieder ins Meer zurückgewandert. Sie haben sich an die schwierigen Bedingungen angepasst und es entwickelten sich die Seegräser. Das sind die einzigen Blütenpflanzen im Meer und es gibt davon nur etwa 60 Arten weltweit.
Früher hatten Seegräser in meiner Erinnerung nicht so ein tolles Ansehen, aber jetzt sind sie in aller Munde. Was ist denn an Seegras so wichtig?
Seegras ist ein sehr guter CO2-Speicher – Stichwort Klimawandel. Seegraswiesen sind ähnlich wie Moore an Land und speichern unter Sauerstoffabschluss Biomasse ein, deren Kohlenstoff dann für lange Zeit der Atmosphäre nicht mehr zur Verfügung steht.
Gleichzeitig ist Seegras super wichtig als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Es erhöht die Biodiversität, ist eine wichtige Kinderstube für fast alle unsere Fischarten. Die ernähren sich im Seegras, leben dort einen Teil ihres Lebens oder laichen dort.
Und es ist auch ein Filter für Nährstoffe, von denen wir zu viele im Wasser haben. Sogar für den Menschen gefährliche Bakterien werden rausgefiltert – das hat unsere Arbeitsgruppe gerade ganz aktuell herausgefunden.
„Seegras kam vor dem Zweiten Weltkrieg bis in eine Wassertiefe von 14 Meter vor. Da war das Wasser noch viel klarer. Dann fand die grüne Revolution statt und die Landwirtschaft hat künstliche Dünger eingesetzt.“
Philipp Schubert
Host City Local Partner
The Ocean Race Europe 2025
Apropos gesund, wie geht es denn dem Seegras selbst? Welchen Bedrohungen ist das vielleicht ausgesetzt?
Hier an der Küste von Schleswig-Holstein oder auch in Mecklenburg-Vorpommern geht es dem Seegras in Nord- und Ostsee zunehmend besser. Und trotzdem gibt es Bereiche, in denen Seegras, wie weltweit auch, leider zurückgeht, zum Beispiel in der Flensburger Förde.
Seegras kam vor dem Zweiten Weltkrieg bis in eine Wassertiefe von 14 Meter vor. Da war das Wasser noch viel klarer. Dann fand die grüne Revolution statt und die Landwirtschaft hat künstliche Dünger eingesetzt. Zusätzlich wurden die häuslichen Abwässer noch nicht gut geklärt, während wir immer mehr Menschen wurden. Dadurch kam es zu einem Überangebot an Nährstoffen im Meer. Und das sorgt dafür, dass mehr Plankton wächst, auch mehr Fadenalgen. Und die überwuchern das Seegras, ersticken es und nehmen dem auch das Licht. Dieses Plankton verringert die Sichtweiten im Meer. Und dadurch kann Seegras nicht mehr so tief vorkommen.
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„Wir forschen gerade daran, was die besten Methoden sind, um Seegras wieder anzupflanzen.“
Philipp Schubert
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Und was könnten wir tun, um das Seegras zu schützen?
Wir forschen gerade daran, was die besten Methoden sind, um Seegras wieder anzupflanzen. Da geht es wirklich um simple Fragen, z.B. was ist die beste Zeit, um Seegras anzupflanzen? Was ist die beste Tiefe? Machen wir das mit Samen? Wo kriegen wir die Samen her? Machen wir das mit Einzelpflanzen, also mit Sprösslingen? Wie wachsen die am besten? Und das versuchen wir gerade in Forschungsprojekten herauszufinden.
Und als normaler Bürger - kann ich da auch was tun?
Wenn man selber Taucher ist: Interessierte Seegras-Anpflanzer werden extra dafür geschult.
Zum anderen können wir weg von dieser Massentierhaltung, die ganz schlecht ist für die Nährstoffeinträge.
Oder als Badender, dass man z.B. schwimmt und nicht mehr geht, sobald das Seegras da ist.
Nun sprechen wir hier wegen des Ocean Race, einem Segel-Event. Was haben denn Segler mit Seegras zu tun?
Man sollte nicht in Seegraswiesen ankern, denn jeder Anker richtet großen Schaden an. Segler sollten einfach darauf achten, nur auf Sandflächen zu ankern oder vor den Seegraswiesen. Die Seegraswiesen kommen bei uns nur bis in Wassertiefen von sechs, sieben Metern vor. Wenn du tiefer ankerst, bist du meistens auf der sicheren Seite.
Und jetzt direkt das Ocean Race und Seegras, hat das was miteinander zu tun?
Vielleicht eher negativ durch treibende Seegrasfelder, wenn das Seegras im August, September seine Blätter abwirft. Die Blätter können sich um die Foils legen und gerade kleinere Foiler wie z.B. Wingfoiler, Kitefoiler oder Pumpfoiler behindern.
Okay, vielen Dank. Hast du noch einen Tipp, wenn sich jemand speziell für Seegras interessiert oder sich noch weiter erkundigen möchte?
Wir haben tatsächlich eine gute Internetseite, seegraswiesen.de , wo man sich schlau machen kann. Und ansonsten würde ich echt immer jedem empfehlen: Schnappt euch Schnorchel und Brille und guckt euch an, wie das Leben explodiert in den Wiesen.
Alles klar, vielen Dank Philipp.
Bitte.
Dieser Text gibt nur einen stark gekürzten Auszug aus dem Original-Interview wieder.
Hört gerne hier rein!
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