© Spielbank SH

InterviewPartnerKielHost Cities

Interview mit Tilo Schwonbeck, Direktor Casino Kiel
„Ein Croupier ist wie ein Künstler, wie im Theater.“

 

Wir sprachen mit Tilo Schwonbeck über die Verbundenheit zum Meer in Kiel, warum die Croupiers im Norden gerne mit ihren Gästen sprechen, dass eine Kugel nie weiß, was davor passiert ist und warum es nicht ratsam ist, direkt vom Strand in Badeschlappen an den Roulettetisch gehen zu wollen. 

Tilo Schwonbeck

Tilo Schwonbeck

Direktor Casino Kiel

Das Casino Kiel gibt es seit 1998, Sie sind seit 2002 hier, erst als Croupier, seit 2020 als Direktor. Was hat Sie damals bewegt, beruflich in einem Casino anzufangen?

Ein Casino ist einfach spannend, es ist dieses Spiel, ähnlich wie beim Sport. Dieser Spaß, diese Spannung, die man hier tagtäglich mit Kollegen erleben kann, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen – sei es aus der Gastronomie, dem Bau, dem Bankbereich, oder Studenten, die lieber hier arbeiten wollten, als an der Uni zu sein, und so weiter. Genauso ist es mit den Gästen, auch hier gibt es ein sehr breites Spektrum. Da steht der Professor neben dem Bauarbeiter oder jemandem, der eine Firma leitet. Die stehen alle nebeneinander und nehmen an dem Spiel teil.

Was verbindet diese unterschiedlichen Gäste und führt sie hierher?

Es ist der Nervenkitzel, der Reiz des Spiels. Es gibt zahlreiche psychologische Abhandlungen darüber, was sich bei Menschen verändert, die dem Spiel zugänglich sind und dann ins Casino kommen. Der Blick verändert sich, die Haltung verändert sich, die Menschen bekommen feuchte Hände. Das merkt man, wenn man sie mit Handschlag begrüßt. Es ist spannend zu beobachten, wie sie sich im Laufe des Abends verhalten. Gewinnen, verlieren. Das löst Emotionen aus, egal in welche Richtung, ob positiv oder negativ. Es kann schon sein, dass der sonst so ausgeglichene Familienvater dann etwas angespannter ist.

Ähnlich wie im Handball- oder Fußballstadion, wo die Emotionen auf einmal hochkochen können.

Ja, es ist der Ehrgeiz, der die Menschen packt. Mehrheitlich ist das bei Männern ausgeprägt. Dieses sich beweisen müssen und können. Ich beherrsche das Spiel und zeige euch, wie es geht.

„Hier in Kiel prägt der Hafen mit seinen Schiffen das Stadtbild und die Kieler sind dem Meer sehr verbunden. Im Casino greifen wir das im Design auf.“

Tilo Schwonbeck

Bei allem norddeutschen Understatement sind die Kieler ja recht stolz auf ihre Stadt. Gibt es Unterschiede zwischen den vier Standorten in Schleswig-Holstein, die das jeweilige Lokalkolorit aufgreifen?

Die Innenausstattung der einzelnen Standorte ist unterschiedlich. Hier in Kiel prägt der Hafen mit seinen Schiffen das Stadtbild und die Kieler sind dem Meer sehr verbunden. Im Casino greifen wir das im Design auf: Wir haben Wellen an der Bar und einen Führerstand als Kasse. Viele unserer Gäste kommen von den Kreuzfahrtschiffen, allerdings sind es weniger die Touristen, sondern eher die Menschen, die auf diesen Schiffen arbeiten. Während der kurzen Liegezeit im Hafen hat das Schiffspersonal frei und kommt gerne auch mal in unser Casino. Die Touristen haben ihr Geld für die Reise im Prinzip bereits ausgegeben und an Bord ist dann alles inkludiert. Und natürlich hat man in der Regel an Bord der größeren Kreuzfahrtschiffe auch ein Casino. 

Hinzu kommt, dass unser aktuelles Gebäude keinen großen Anreiz auf die Touristen ausübt, uns zu besuchen. Es ist zwar mittlerweile ein Blickfang geworden, weil sich der Bootshafen gut entwickelt hat. Aber es ist weder ein architektonisches Highlight noch hat es eine lange Historie wie Monte Carlo, Baden-Baden oder Wiesbaden, sodass man nicht sagen würde: Diese berühmte Spielbank muss ich mal besucht haben.

Casino

© Spielbank SH

Das Casino Kiel in maritimer Lage zwischen Bootshafen und der Kieler Förde, wo die Fähren nach Schweden und Norwegen ablegen

In vielen anderen Bereichen ist es ähnlich: Der Ort oder das Gebäude kann eine Strahlkraft entwickeln und zu einem Magneten für Besucherinnen und Besucher werden. Apropos – Baden-Baden, Monte Carlo, Las Vegas: Die Spielbanken in Schleswig-Holstein sagen: „So spielt der Norden.“ Spielt man hier im Norden anders als in anderen Casinos?

Die Spiele sind natürlich die gleichen: Roulette, Black Jack oder Poker haben weltweit die gleichen Spielregeln, allenfalls gibt es leichte Abwandlungen. Auch die Spielautomaten ähneln sich im Wesentlichen. Aber jedes Casino hat seine eigene DNA und wir haben hier unseren norddeutschen Charme. Das heißt im Prinzip, wie man mit den Gästen umgeht und den Kontakt zu ihnen aufbaut. Wir wollen mit dem Gast kommunizieren. Der Croupier darf gerne mit dem Gast sprechen. In einigen Casinos ist so etwas komplett verboten.

Warum ist das verboten?

Es soll keine zu große Nähe aufgebaut werden. Wenn man sich mit einem Gast beschäftigt, lässt man die anderen zehn, die daneben stehen, vielleicht außen vor. Alle sollen gleich behandelt werden, keiner soll sich besser oder schlechter behandelt fühlen. Deshalb ist die Kommunikation zwischen Croupier und Gast teilweise komplett untersagt. Die Unterhaltung findet in diesen Casinos anders statt.

© Spielbank SH

„Die Tische, die Croupiers, die Interaktion und das Spiel an sich mit den Gewinnchancen, das ist schon großartig.“

Tilo Schwonbeck

Den Norddeutschen sagt man nach, dass sie zurückhaltend sind, aber hier ist es genau andersrum?

Genau. Warum spielen die Gäste an einem Tisch mit Croupier statt am Automaten? Das Automatenspiel ist schneller. Die Welt ist heute schnelllebiger. Das Spiel an den Live-Tischen mit Croupiers ist langsamer. Zwar sind die Spiele schon wesentlich schneller als noch 1990, aber sie sind immer noch langsamer als an einem Automaten, bei dem der Gast mit jedem Knopfdruck das Tempo bestimmt. Am Tisch findet eine Interaktion mit dem Croupier statt, die für den Gast besonders reizvoll ist. Der Croupier kann bei Fragen weiterhelfen und Wünsche von den Augen ablesen. Das ist ein ganz anderes Spielerlebnis. 
Genau diesen Service wollen wir bieten, um die Leute aus dem schnelllebigen, blinkenden Lichtermeer zu holen in dieses etwas gehobenere, gemütlichere, kommunikativere Spiel. Das ist so schön, das wollen wir gerne. Das ist nicht immer einfach, aber die Gäste lieben es. Ein Croupier ist wie ein Künstler, wie im Theater. Die Leute sehen das und denken: „Boah, was macht denn der da?” Wenn man das eine Weile macht, ist es kein Zauberwerk mehr, aber am Anfang sieht es so aus.

Wir reden hier über das sogenannte „Große Spiel“, während Automaten zum „Kleinen Spiel“ gezählt werden.

Das ist historisch sicherlich richtig, aber angesichts der Umsätze haben sich die Begriffe „groß“ und „klein“ für uns komplett gedreht. Da kann man also eigentlich nicht mehr von groß und klein sprechen. Für uns ist es das „Livespiel“ und das „Automatenspiel“.

Nimmt das Automatenspiel nicht immer mehr zu? Man muss wohl sehr darauf achten, dass das Livespiel noch im Casino bleibt.

Nehmen wir zum Beispiel das Roulettespiel. Für viele, die ihre ersten Berührungspunkte an Automaten hatten, ist es viel zu komplex. Da die Welt so schnelllebig ist, hat niemand mehr Zeit, sich mit diesem Spiel ernsthaft zu beschäftigen. Dabei ist es total spannend, wenn man sich damit ein bisschen auseinandersetzt. Es ist an sich das fairste und schönste Spiel. Die Tische, die Croupiers, die Interaktion und das Spiel an sich mit den Gewinnchancen, das ist schon großartig.

© Spielbank SH

Das erinnert mich an Menschen, die sich gerne zu gemeinsamen Spieleabenden treffen und zum Beispiel stundenlang „Die Siedler von Catan“ spielen. Beim Live-Spiel im Casino scheint es eine ähnliche Atmosphäre zu geben.

Wenn man gemeinsam Roulette, Poker oder Blackjack spielt, ist man eine Gemeinschaft. Man sieht, was die anderen machen, und kann sich daran begeistern – oder auch nicht. Man kann neidisch sein. All das, was einen Menschen ausmacht, kann man erleben. Man kann aber auch nur zugucken. Man steht hinter dem Tisch oder an der Bar, hat sein Getränk dabei und schaut einfach zu, was an einem Tisch passiert. Am Automaten ist das anders. Man bekommt mit, wenn jemand hoch gewinnt oder der Jackpot fällt. Dann klingelt das auch und es ist richtig Alarm. Aber beim Roulette sind alle live dabei. Sie sehen, was jemand setzt oder wenn er eine Auszahlung bekommt. Sie sehen, wie er weitermacht, und das alles innerhalb kürzester Zeit. Das ist natürlich eine ganz andere Interaktion. 

„Die Kugel weiß nie, was davor passiert ist. Ob zehn Mal oder zwanzig Mal Rot gekommen ist, weiß die Kugel nicht. Sie hat kein Gedächtnis, sagt man. Es ist purer Zufall, einfach Glück.“

Tilo Schwonbeck

In verschiedenen bekannten Filmen, in denen das Spiel in Casinos vorkommt, entstand bei mir immer der Eindruck, dass man schon ein ganz schöner Profi sein muss.

Es ist ein Glücksspiel, daher ist es letztlich egal, ob du auf Rot, Schwarz oder eine bestimmte Zahl setzt. Du darfst natürlich nicht alles auf eine Karte setzen, sonst gewinnst du nie. Du musst dir schon die Chance geben, auch zu gewinnen. Das versuchen wir den Menschen zu erklären. Aber ansonsten ist es völlig egal, worauf du setzt. Es kommt nur auf dein Glück an. Es gibt keine Strategien, auch wenn einige Menschen immer wieder versuchen, das Gegenteil zu erklären. Die Kugel weiß nie, was davor passiert ist. Ob zehn Mal oder zwanzig Mal Rot gekommen ist, weiß die Kugel nicht. Sie hat kein Gedächtnis, sagt man. Es ist purer Zufall, einfach Glück. 

Anfang des Jahres hat ein Gast hier etwas über 150.000 Euro gewonnen – das war eine Menge Glück. Was denkt man dann? Freut man sich einfach mit dem Gast oder denkt man: „Hoffentlich setzt er jetzt nicht wieder alles direkt ein und verspielt alles“?

Wir freuen uns für jeden, der hier gewinnt. Jeder Gast soll gerne gewinnen. In diesem Fall kannten wir den Gast persönlich und wussten, dass er verantwortungsvoll mit seinem Gewinn umgehen würde. Wir wissen, dass wir einen kleinen Vorteil haben, denn wir müssen dieses Casino ja betreiben. Auch alle Mitarbeitenden und die Gäste, die beim Jackpot dabei waren, haben mitgefiebert und sich mitgefreut. Das ist natürlich etwas, bei dem der Puls bei allen nochmal steigt. Sie sehen, es ist möglich zu gewinnen, auch ein Gewinn, der über dem normal Vorstellbaren liegt. Wenn hier jemand 10.000 Euro gewinnt, ist das schön, aber das bekommt niemand mit. 

Ein Gewinn von 150.000 Euro ist schon etwas Besonderes, das vielleicht drei- oder viermal im Jahr passiert. Das muss man natürlich in einem verantwortungsvollen Rahmen auch medial begleiten, ähnlich wie beim Lotto, wenn irgendwo 18 Millionen Euro ausgeschüttet werden. Das ist natürlich eine ganz andere Summe. Mit 150.000 Euro kann man sich nicht zur Ruhe setzen. Das ist auch etwas, bei dem man mit den Gästen in Kommunikation geht. Was machst du damit? Was hast du vor? Willst du das Geld in bar haben? Oder willst du einen Scheck? Die Gäste erzählen dann oft, was sie vorhaben, oder berichten bei einem späteren Besuch davon. Es ist spannend zu sehen, was die Gäste mit einem solchen Gewinn machen und dass sie nicht wieder alles am Roulette-Tisch oder an den Automaten riskieren.

Das Ganze hat etwas Sportliches. Ist das der Grund, warum das Casino Presenting Partner des Ocean Race Europe in Kiel ist und zudem seit Jahren viele Kieler Sportvereine unterstützt?

Es gibt viele Überschneidungen zwischen diesen beiden Bereichen. Der Wettkampfcharakter und die Fähigkeit, Entscheidungen in kürzester Zeit zu fällen, sind Eigenschaften, die sportaffine Menschen kennen. Es ist einfach so, dass man im Sport prozentual sicherlich mehr spielaffine Menschen hat als in vielen anderen Bereichen. Aber natürlich unterstützen wir mit unseren Engagements auch sehr gerne die Vereine hier in der Stadt: den THW, die Altenholzer Handballer, Holstein Kiel, die Baltic Hurricanes und die Düsternbrooker Damen-Tennismannschaft.

Das ist natürlich breitenwirksam. Welche anderen Möglichkeiten könntest du dir vorstellen, um die Marke aufzuladen und die Aufmerksamkeit für das Casino zu erhöhen?

Wir sind ja auch beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Wir haben eine Kooperation mit dem Opernball, der einmal im Jahr in Kiel stattfindet. Wir würden uns wünschen, dass auch mehr Menschen zu unseren Abendveranstaltungen im Casino kommen, die schick angezogen sind. Früher war das so, und in Baden-Baden und Monte Carlo ist das heute noch so. Insgesamt hat sich das alles liberalisiert.

Schick ist oft, was bequem und funktional ist. Auf den Rennyachten des Ocean Race ist das nicht anders. Die Segelteams tragen Kleidung, die dem Wetter gerecht wird und in der sie sich im engen Cockpit gut bewegen können. Wie bequem darf es denn im Casino sein? Badehose und Schlappen sind wohl eher nicht angemessen?

(lacht) Nein, Badehosen und Schlappen sind eher nicht angebracht. Man sollte nicht direkt vom Strand ins Casino laufen. Wir nennen es einfach „gepflegte Freizeitkleidung“. Kurze Hosen gehören für Männer nicht dazu, aber man sollte sich in seiner Kleidung wohlfühlen. Besser geht natürlich immer.

Wie entspannst du dich nach einem Arbeitstag? Mit einer Runde Roulette?

Allen Mitarbeitenden der Spielbank Schleswig-Holstein ist es untersagt, in einem Casino in Schleswig-Holstein selbst zu spielen. Ich ermuntere sie aber dazu, sich einmal anzuschauen, was andere Banken machen. Um die andere Seite, die der Gäste, kennenzulernen. Was passiert mit den Menschen, die hierherkommen und spielen? Dieses Gefühl sollte man sich selbst auch einmal geben. Das ist schon spannend und hilft, sich in Gäste besser hineinzuversetzen. 

Meine eigene Entspannung finde ich beim Fußballspielen in der Altherrenmannschaft in Altenholz und beim Laufen im Projensdorfer Gehölz. Da ich als Direktor nicht mehr nur nachts, sondern mehrheitlich tagsüber arbeite, hat sich mein ganzer Lebensrhythmus komplett verschoben. Auf einmal hatte ich abends wieder Zeit.

© Kiel-Marketing GmbH – Interview: Ralf Löwe / sonofasailor.de
Artikelrechte erwerben