KolumneSegelnThe Race

ATLAS DER ABGELEGENEN INSELN
Rapa Iti

 

(Austral-Inseln; Französisch-Polynesien)

Pazifischer Ozean

27° 36’ S | 144° 20’ W

auch nur Rapa

ENGLISCH veraltet Oparo Island

40,5 km2 | 507 Bewohner

 

 

 

IN EINER KLEINEN STADT in den Ausläufern der Vogesen wird ein sechsjähriger Junge von Träumen heimgesucht, in denen ihm eine völlig unbekannte Sprache gelehrt wird. Bald beherrscht der kleine Marc Liblin sie nicht nur im Traum fließend, ohne zu wissen, woher sie kommt oder ob es sie wirklich gibt. // Er ist ein einsames Kind, hochbegabt und wissensdurstig. Als Jugendlicher ernährt er sich eher von Büchern als von Brot. Mit 33 Jahren lebt er als Aussteiger in der Bretagne. Da werden Forscher der Universität Rennes auf ihn aufmerksam, wollen seine Traumsprache entschlüsseln und übersetzen. Zwei Jahre lang füttern sie riesige Rechenmaschinen mit seinen seltsamen Lauten. Vergeblich. // Irgendwann kommen sie auf die Idee, durch Hafenkneipen zu ziehen, um Matrosen auf Landgang zu befragen, ob jemand unter ihnen diese Sprache irgendwo schon einmal gehört habe: In einer Kneipe von Rennes gibt Marc Liblin eine Solovorstellung, monologisiert vor einer Gruppe von Tunesiern, als der Mann hinter dem Tresen, ein ehemaliger Angehöriger der Marine, sich einmischt und erklärt: Er habe diesen Zungenschlag schon einmal gehört, auf der einsamsten aller polynesischen Inseln. Und er kenne eine ältere Dame, die genauso spreche, die geschiedene Ehefrau eines Militärs, die nun in einem Sozialbau in der Banlieue wohne.// Die Begegnung mit der polynesischen Dame verändert Liblins Leben: Meretuini Make öffnet die Tür, er begrüßt sie in seiner Sprache, und sie antwortet sofort in dem alten Rapa ihrer Heimat.// Marc Liblin, der Europa noch nie verlassen hat, heiratet die einzige Frau, die ihn versteht, und bricht 1983 mit ihr zusammen auf zu der Insel, auf der seine Sprache gesprochen wird.

Atlas der abgelegenen Inseln

Mit freundlicher Genehmigung von Judith Schalansky und mareverlag, ©2009 mareverlag, Hamburg; ISBN 978-3-86648-683-6

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Die Crews an Bord der Rennyachten des Ocean Race rauschen an den entlegensten Inseln der Welt vorbei, ohne sie je zu betreten. Ob sie gerne einmal dort anlanden würden?

Mit ihrem „Atlas der abgelegenen Inseln“ entführt uns Judith Schalansky zu Inseln „auf denen ich nie war und niemals sein werde“. Die Autorin erzählt die absurd-abgründigen Geschichten dieser Eilande, wie sie nur die Wirklichkeit sich auszudenken vermag.

Judith Schalansky hat mehrere ihrer Bücher selbst gestaltet und dafür Designpreise erhalten. So wurde sowohl ihr „Atlas der abgelegenen Inseln“ als auch „Der Hals der Giraffe“ mit dem 1. Preis der Stiftung Buchkunst bedacht. 2021 stand ihr Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ auf der Longlist für den International Booker Prize sowie auf der Longlist für den National Book Award. Judith Schalanskys Bücher sind in mehr als 25 Sprachen übersetzt. 

© mareverlag, Hamburg
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